INTERVIEW MIT CLARISSA HAGEMANN, WEINEXPERTIN IN SÜDAFRIKA
ÜBER CLARISSA
Als zertifizierte Weinexpertin erfüllte sich Clarissa Hagemann ihren Traum von einem neuen, rebhaften Leben in Südafrika. Als Clarissa vor ein paar Jahren ihre Koffer packte und die Reise in das Land der Gegensätze, aber auch der für deutsche Verhältnisse schon fast absurden Gastfreundlichkeit antrat, ließ sie ihren gut bezahlten Job in der Pharmaindustry, ihre Familie und vor allem ihre guten Freunde Riesling und Kerner zurück. Alles für den Traum in Südafrika. Klare Ziele und ein ordentlicher Durst waren und sind bis heute die Treiber der weinhaltigen Vision im neuen Zuhause. Exklusive Weinseminare stehen bei Clarissa genauso auf der Tagesordnung wie organisierte Fahrten in die Südafrikanischen Winelands.
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MORITZ: HALLO CLARISSA: ICH HABE GELESEN, DASS DU WEINSEMINARE GIBST UND AUCH TOUREN IN DIE WINELANDS VERANSTALTEST. WAS HAT DICH BEWEGT, NACH SÜDAFRIKA UND SPEZIELL NACH KAPSTADT AUSZUWANDERN?
Clarissa: Meine Mutter ist 2007 gestorben. Ich war über 10 Jahre in der Pharmaindustrie tätig und wusste definitiv, ich muss etwas anderes im Leben machen. Aber was sollte ich tun? Eine andere Pharmafirma? Das war ja wieder das Gleiche, nur unter einem anderen Namen.
Ein Job am Schreibtisch kam für mich nicht in Frage. Die Sehnsucht nach Afrika flackerte wieder auf, als meine beste Freundin mich an meine Freunde erinnerte, die 10 Jahre zuvor nach Kapstadt ausgewandert waren. Sie besitzen ein Hotel in Kapstadt und ich beschloss, für 3 Monate eine Auszeit zu nehmen und dort während der Weihnachtszeit – was hier wie überall auf der Welt peak season ist – zu arbeiten. Noch dazu wurde innerhalb meines Pharmaunternehmens gerade rationalisiert – ich bekam eine Abfindung, die mir dann als Startkapital diente.
Ich habe mich so in dieses Land und diese Stadt verliebt und innerhalb kürzester Zeit viele Leute kennengelernt. Diese zählen heute zu meinen engsten Freunden.
Zurück in München haben mich Verwandte und Freunde gefragt: „Was hat Dich am meisten beeindruckt und Dir am meisten gefallen?“ Sofort kam meine Antwort: „Die unendliche Weite des Landes, das Gefühl durchatmen zu können – das Gefühl angekommen zu sein.“ Ebenso die unglaubliche Freundlichkeit und Offenheit der Menschen, die nicht mal einen Bruchteil von dem besitzen, was wir alles im Überfluss haben… Überall wird Dir geholfen – egal ob Behörden, Menschen auf der Strasse nach dem Weg fragen oder am Straßenrand mit einer Reifenpanne. Man ist nie allein und verloren. Zu dem ist natürlich auch das Klima ausschlaggebend – Wärme und Sonne pur für Dreiviertel des Jahres. Ich sag immer der Unterschied zwischen Deutschland und Südafrika besteht darin, dass ich in Deutschland 9 Monate Strümpfe trage und hier 9 Monate keine…
Wenn ich an die Anfänge denke erinnere ich mich. wie schwer es mir gefallen ist zurück nach München zu fliegen. Es sehe noch vor meinem inneren Auge: der letzten Sonnenuntergang mit Blick auf den Tafelberg auf dem Weingut Seidelberg, der erste Sonnenaufgang am Flughafen Kapstadt (damals flog Air Berlin noch 7.20 Uhr morgens nach München direkt). Da war mir klar, ich habe mein Herz und meine Seele an Südafrika „verloren“.
MORITZ: WAR DENN DIE LIEBE ZUM TRAUBENSAFT SCHON IMMER VORHANDEN?
Clarissa: In München hatte ich schon immer gern für Freunde gekocht, gute Weine gekauft und auch selbst immer wieder neue Restaurants ausprobiert. Was gibt es Gemütlicheres, als mit Freunden gutes Essen und ein Glas passenden Wein zu genießen? Für mich ist es der Inbegriff von Genuss. Interessanterweise hatte ich dann hier in Kapstadt immer wieder Weinlektüren gelesen und Bücher über die hiesigen Winelands gekauft.
Wenn es meine Zeit zuließ, bin ich in die Weinberge gefahren, habe dort Mittag gegesssen und die Atmosphäre genossen. Die Verschiedenartigkeit, die Schönheit und Einzigartigkeit der Weingüter Südafrikas haben mich immer in ihren Bann gezogen. Südafrika blickt ja auf eine über 350 Jahre alte Weingeschichte zurück. Allgemein bin ich von Geschichte und Politik fasziniert. Somit fand ich es immer spannend, die Historie der einzelnen Güter, deren Besitzer und deren Generationenabfolge zu verfolgen.
MORITZ: WIE HAST DU DICH AUF DAS ABENTEUER WEIN VORBEREITET?
Clarissa: Anfangs habe ich voller Tatendrang 2 Kurse bei der hiesigen Cape Wine Academy besucht. Ich wusste bis dato nur, welche Rebsorten es gibt und dass ich lieber Rotwein als Weißwein trinke. In den Kursen konnte ich meinen Gaumen und meine Geschmacksknospen für gute und hochwertige Weine noch weiter schulen und ausbauen.
MORITZ: WIE KAM DIE IDEE, SEMINARE UND WEINFAHRTEN ANZUBIETEN?
Clarissa: Was die Weintouren angeht, so habe ich zunächst mein Tourguide Zertifikat für Kapstadt und Umgebung absolviert. Ich hatte auch hier zuvor 3 Jahre ein 5 Sterne Gästehaus geleitet. Ich liebe es, mit Menschen in Kontakt zu sein. Im Rahmen meines Tourangebotes gibt es auch selbstverständlich die Tour „Winelands, half day oder full day“.
Für mich waren die Kurse so interessant und beeindruckend, da ich viel über Wein, Brandy, Süßweine, MCC Weine (Méthode Cap Classique – der hiesige Name für Champagner – Champagner darf der Sparkling Wein nur genannt werden, wenn die Trauben direkt aus der Champagne kommen) gelernt habe. Die Idee, all das tiefgehende Wissen, in Form von Weinseminaren/Weinvorträgen weitergeben zu wollen, kam während des Kurses auf. Ich dachte, es würde doch Sinn machen, deutschen Urlaubern mit Blindverkostung die Südafrikanischen Weine und deren Besonderheiten näher zu bringen. Mit einem Abschlusstest, bestehend aus 2 Teilen habe ich dann das Zertifikat als Weinexpertin erhalten.
MORITZ: WIE WÄHLST DU DIE WEINGÜTER FÜR DEINE AUSFAHRTEN AUS?
Clarissa: Durch meine jahrelangen Freizeittrips in die Winelands kenne ich natürlich zahlreiche Weingüter, deren Besonderheiten, deren Geschichte, deren Hintergrund und deren Flagshipweine. Je nach Absprache und Schwerpunkt wähle ich die entsprechenden Estates für einen Besuch mit Weintasting für meine Kunden aus.
Ich habe allgemein festgestellt, dass oftmals die kleinen unscheinbaren Weingüter Spitzenweine hervorbringen, während die vielgelobten, gepriesenen oft nur durchschnittliche Weine produzieren.
Ich erfrage im Vorfeld, ob die Gäste Weinkenntnisse haben. Es gibt Weingüter, die sowohl Sterneküche als auch eine breite Auswahl an sowohl Rot- und Weißweinen anbieten. Andere Güter wiederum haben nur ein paar Rot- oder Weißweine im Angebot, dafür aber exzellent. Also fahre ich je nach Gast individuell die Güter an und versuche möglichst eine große Bandbreite sehr unterschiedlicher Weingüter an einem Tag vorzustellen.
Das Problem ist nur immer die Entfernung. Da oftmals nur ein Tag mit mir gebucht wird, fahre ich meist in die Gegenden Paarl, Franschhoek, Stellenbosch oder bleibe hier in Kapstadt rund um Constantia. Natürlich gibt es noch jede Menge anderer Gegenden mit hervorragenden Weinen. Das müsste man dann den Gästen entweder empfehlen, sollten sie allein dann tiefer in die Winelands reisen oder doch noch einen zweiten Tag hinzubuchen.
MORITZ: WAS IST MOMENTAN DEIN LIEBLINGSWEINGUT?
Clarissa: Ach, das ist wirklich sehr schwer zu sagen und kaum zu beantworten.
Jedes Weingut ist individuell und hat seine eigene Identität.
Die Atmosphäre, das Ambiente, das Interior, der Stil, egal ob es sich um ein traditionelles, kapholländisches Weingut handelt oder um das Moderne, mit sehr viel Upmarket Style Kreiertem, jedes ist so einzigartig. Ich liebe auf meiner Kaptour beispielsweise als Abschluss das Steenberg Wine Estate mit dem Tastingroom Bistro 1682. Super stylish! Man kann sowohl Wein- als auch Champagnertasting machen. Es hat bis 18.00 Uhr den Tastingroom geöffnet und bis 20.00 Uhr kann man hervorragende „Sternetapas“ genießen, sollte man noch nicht genug zum Lunch geschlemmt haben.
Mein zweiter Tipp ist das Boutique Wine Estate Bartinney. Kaum bekannt, dafür ein traumhafter Blick, sehr geschmackvoll. Das Entrée wie in einer Gärtnerei – überall Kräuter und Proteas. Bartinney führt daher auch ein besonderes Tasting durch, Wein kombiniert mit den jeweiligen Kräutern. Dadurch werden die Geschmacksnerven für die jeweilige Rebsorte verfeinert. Einzigartig! Annandale ist auch ein kleiner Geheimtipp, da es sehr alte Rotweine zu erschwinglichen Preisen anbietet. Audacia ebenso, da es einige Weine im Sortiment hat, die ohne Schwefelzusatz, nur mit Rooiboswurzel als Antioxidans produziert werden.
Ich habe noch ein paar andere Favoriten, die ich immer wieder gerne auf meinen Touren zeige. Diese fallen mit in einen Querschnitt von Verschiedenartigkeit – die folgenden sind allerdings hauptsächlich in und um die Gegend von Kapstadt gelegen: (sprich Constantia, Paarl, Stellenbosch, Franschhoek)
- Delaire Graff, Cavalli, Leeu Estate, La Grande Provence, Maison, Antonij Rupert, Steenberg,
Für mich die Upmarket Stylishen.
- Boschendal, Vergenoegd, Uitkyk, Zorgvliet, Groot Constantia, Plaisir de Merle, Webersburg, Muratie, Annandale als die Traditionell Kapholländischen
- Bartinney, Thelema, Kanonkop, Stellenrust, Stellenzicht, Stark-Condé, Oldenburg, Uva Mira, Ridgeback, Le Riche, Lanzerac, Ken Forrester, de Morgenzon stehen für hervorragende Weine.
- Jordan, Guardian Peak, HiddenValley, Rust en Vrede, Delheim, La Motte, Moreson, Mont Rochelle dort kann man wunderbar seinen Lunch genießen
- MCC´s probiert man am besten bei Simonsig, Haute Cabrière, Le Lude, Moreson, Graham Beck, Colmant,
- Hervorragendes Olivenöl, oft mit einem Tasting verbunden, bekommt man bei Morgenster, Tokara, La Bourgogne, Vergenoegd
Immer mehr Wine Estates bieten zusätzlich Fahrten in ihre Vineyards (Weinberge) an. Quasi als kleine Safari, denn oft haben sie auch Wildtiere auf ihrem Grund. Andere Estates kann man „Blendings“ durchführen. So kann man seinen eigenen Wein, Kaffee, Olivenöl oder auch Tee kreieren.
Viele Weingüter beantworten auch gerne bei einer Runde durch ihre Keller Fragen zum Thema Wein und dessen Herstellung.
Das sind natürlich bei Weitem nicht alle Favorisierten. Wer nicht genannt wurde, möge es mir verzeihen – es war nur aus dem Stehgreif und Bauch heraus.
MORITZ: WIE WÜRDEST DU DAS LEBEN IN SÜDAFRIKA IN EINEM SATZ BESCHREIBEN?
Clarissa: In einem Satz? Oh das ist schwer… Ist natürlich auch eine sehr persönliche Frage, jeder Mensch empfindet anders. Aber für mich:
Herzlich, warm (nicht nur was das Klima angeht), unkompliziert, leicht, befreiend… Lebensqualität und Lebensgefühl sind für mich persönlich höher als in Deutschland. Man braucht deutlich weniger, ist mit weniger sehr glücklich und zufrieden. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, nach München – meine Heimatstadt zurückzukehren.
Es heißt nicht umsonst, wer einmal hier war und sich den „Virus“ eingefangen hat, wird immer wieder hierher zurückkehren.